Informationen
zur politischen Bildung / izpb
329 1/2016 B6897F
Das Deutsche Kaiserreich
1871 – 1918
2 DAS DEUTSCHE KAISERREICH 1871–1918
Inhalt
4 22 16 31
- 4 Deutschland in der Welt 42
- 5 Deutscher Kolonialismus 42
9 Wirtschaft und Gesellschaft im Zeichen
der Globalisierung 45
Politik in der Bismarck-Ära 16 Der Kulturkampf 16
Wirtschaftliche Depression und konservative
Wende 1878/79 19
Das Ende der Ära Bismarck 20
Religion, Konfession und säkulares Wissen 22 Der Katholizismus in der Defensive 22 Die protestantische Grundierung der Nationalkultur 24Universitäten und Wissenschaften 26
Die moderne Industriegesellschaft 28 Die Hochindustrialisierung 28 Konturen der Klassengesellschaft 32 Deutsche Juden zwischen Partizipation und
Ausgrenzung 37 Dynamik des Geschlechterkonflikts 38
Das Kaiserreich als Nationalstaat
Liberalismus und Reichsgründung „von oben“
Der föderative Nationalstaat
Das Parteiensystem 12
Wilhelminische „Weltpolitik“ 46 Autoritärer Staat und
Demokratisierung 1890–1914 50 Militär und Militarismus 51
Das Reichstagswahlrecht und die
Fundamentalpolitisierung 53
Radikaler Nationalismus und Antisemitismus 55 Innenpolitische Konflikte ab 1900 58 Das Kaiserreich in der Sackgasse? 59
Das Ende des Kaiserreichs:
Weltkrieg und Revolution 62
1914: die Inszenierung nationaler Einheit 62 Staatsintervention und politische Polarisierung 63 Revolte und Revolution: Massenbewegungen 1917–1918 67
Informationen zur politischen Bildung Nr. 329/2016
Das Kaiserreich in der Kontinuität
deutscher Geschichte 70
Chronik des Kaiserreichs bis 1914
Chronik des Ersten Weltkriegs 73
Literaturhinweise und Internetadressen 74 Der Autor 75 Impressum 75
72
3
42 50
Editorial
Lange Zeit wurde das Deutsche Kaiserreich vornehmlich von seinem Ende her gedeutet und von den Entwicklungen, die ihm folgten: als Vorbelastung für die Weimarer Republik und als Wegbereiter des Nationalsozialismus. Zuschreibun- gen wie Autoritarismus, Obrigkeitsdenken und gesellschaft- lich verbreitete Militarisierung galten als Charakteristika der zeitgenössischen deutschen Gesellschaft und ihrer poli- tischen Eliten.
Viele Anhaltspunkte scheinen diese These zu stützen, da- runter besonders der seit den 1870er-Jahren aufkommende Antisemitismus und der sich seit etwa 1900 radikalisierende Nationalismus. Auch die innerparlamentarischen Blockaden des politischen Systems setzten verhängnisvolle Maßstäbe.
Doch eine nur vom Ende her gedachte Interpretation wird der Vielgestaltigkeit der Epoche nicht gerecht. Denn bei nähe- rer Betrachtung offenbart sie auch eine ausgeprägte Moder- nität, in der sich Parallelen zur Gegenwart entdecken lassen.
Um diese Komplexität der Epoche zu veranschaulichen, legt Benjamin Ziemann, der Autor dieses Heftes, eine Geschichte des Kaiserreichs vor, die einen politischen Schwerpunkt setzt und ihn um Themenfelder der Sozial-, Wirtschafts- und (poli- tischen) Kulturgeschichte ergänzt, die geeignet sind, die Um- brüche zwischen 1871 und 1918 zu verdeutlichen.
In acht Kapiteln, die chronologische und thematische Glie- derungsprinzipien verknüpfen, wird zunächst die Reichsgrün- dung geschildert und die Struktur des neuen Nationalstaates in der Spannung zwischen liberalen Zielen und Reichsgrün- dung „von oben“ analysiert.
Die Folgekapitel widmen sich der Innenpolitik unter Bis- marck, der zentralen Rolle von Religion und Wissenschaft in Gesellschaft und politischer Kultur des Kaiserreichs und dem Übergang in die Phase der Hochindustrialisierung.
Es wird anschaulich, wie unter dem Druck der Veränderun- gen die alten Klassenstrukturen in Bewegung geraten. In den Konflikten um die Arbeiterbewegung, um die Sozialdemokra- tie sowie um die Emanzipation der Juden und den Wunsch der Frauen nach Gleichberechtigung bündelt sich gesellschaftli- cher Zündstoff.
Nach einer Betrachtung des deutschen Kolonialismus und der weltwirtschaftlichen Verflechtung des Kaiserreichs seit den 1880er-Jahren kehrt die Darstellung zu den innenpoli- tischen Entwicklungen der Zeit um 1900 zurück. Es erweist sich, dass autoritäres „Durchregieren“ zunehmend durch eine fundamental politisierte und sich demokratisierende Öffentlichkeit erschwert wird.
Während die Politik im Ersten Weltkrieg zunächst noch einmal erfolgreich eine nationale Gemeinschaft inszenie- ren kann, endet sie in den Streiks der Jahre 1917/18 und den revolutionären Massenbewegungen im Herbst und Winter 1918/19 mit der völligen Delegitimierung und Auflösung der überkommenen politischen Ordnung.
Abschließend greift die Darstellung Fragen der Kontinui- tät über 1918 hinaus auf und entwickelt Thesen zur Stellung des Kaiserreichs in der modernen deutschen Geschichte. Insgesamt ist sie eine Einladung, den ersten Nationalstaat in der deutschen Geschichte neu zu entdecken.
Christine Hesse