Während der Revolution 1848/49 entwarfen die Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlungin der Paulskirche eine Verfassung,
die für ein geeintes Deutsches Reich gelten sollte. Da die Revolution jedoch scheiterte, trat sie nicht in Kraft.
Eine gemeinsame Verfassung für alle deutschen Staaten konnte erst nach der Reichsgründung 1871 realisiert werden.
Im Folgenden werden die wesentlichen Unterschiede erläutert.
Politische Hintergründe 1848/49
Die Paulskirchenverfassung entstand während der Revolution 1848/49 von den Liberalen der Frankfurter Nationalversammlung. Der Name geht auf den Tagungsort der Paulskirche zurück. Deutschland bildete zu dieser Zeit noch keine nationale Einheit, sondern jeder Fürst hatte die volle Souveränität über seinen Staat. Durch die Märzrevolution konnte die absolutistische Macht der Fürsten gestürzt werden. Liberale und Demokraten gründeten folglich eine Nationalversammlung, um alle deutsche Staaten zu vereinigen und eine Verfassung einzuführen. Die Paulskirchenverfassung trat jedoch nie offiziell in Kraft, da Friedrich Wilhelm IV. die ihm angebotene Kaiserkrone ablehnte und die Fürsten die Macht durch die Konterrevolution zurückerobern konnten. Im Gegensatz zu 1871 war die Paulskirchenverfassung vom liberalen Bürgertum, und nicht von den Fürsten oder Militärs entworfen worden.1
Politische Hintergründe 1871
Nach der gescheiterten Revolution 1848/49 kam es zwischen den Großmächten Preußen und Österreich zum Kampf um die Vorherrschaft über Deutschland. Preußen führte trotz massiver Kritik im Inneren eine Heeresreform durch und rüstete auf. Ministerpräsident Otto von Bismarck führte Preußen erfolgreich durch die sogenannten Deutschen Einigungskriege gegen Dänemark, Österreich und Frankreich. Dies führte 1871 zur Gründung eines Deutschen Kaiserreichs unter preußischer Vormacht. Die Reichsgründung erfolgte demzufolge “von oben”, also von den deutschen Fürsten und Militärs, aber nicht vom Volk.2
Paulskirchenverfassung 1849
Die Paulskirchenverfassung sah für die Spitze eines Deutschen Reichs den Kaiser vor. Dieser hatte die Befugnisse das Volkshaus und Staatenhaus einzuberufen. Des Weiteren besaß er den Oberbefehl über die Streitkräfte und konnte Beschlüsse des Volkshaus mit einem Veto einschränken. Dass das Volkshaus Gesetze verabschieden, den Haushaltsplan mitbestimmen und die Reichsregierung kontrollierten durfte, gehörte zu den wichtigsten Merkmalen einer konstitutionellen Monarchie. Die Wahlen zum Volkshaus sollten nach allgemeinem und freiem Wahlrecht erfolgen. Zum weiteren wichtigen Kriterium gehörte die festgeschrieben Garantie von Freiheits- und Grundrechten. Demzufolge waren die Rechte des Volks gegenüber dem Kaiser in der Paulskirchenverfassung stark ausgeprägt.3
Reichsverfassung 1871
Die Reichsverfassung von 1871 hatte im Gegensatz zur Paulskirchenverfassung einen obrigkeitsstaatlichen Charakter. In ihre hatte der Kaiser (als preußischer König zugleich) den Oberbefehl über die Streitkräfte. Er konnte den Reichskanzler einberufen. Zu den weiteren politischen Organen gehörten der Bundesrat und Reichstag. Der Bundesrat hatte stärkere Befugnisse als der Reichstag, da er den Reichstag auflösen konnte und die wichtigsten politischen Geschäfte leitete. Da die Flächengröße eines Staates für die Stimmenanzahl entscheidend waren, spielte Preußen mit insgesamt 17 (von 61) Vertretern im Bundesrat eine führende Rolle. Der Reichstag fungierte hingegen als Volksvertretung und wurde nach allgemeinem und geheimem Wahlrecht gewählt. Er durfte sich an Gesetzgebung und am Haushaltsplan beteiligen, hatte auf die wichtigen politischen Entscheidungen jedoch geringen Einfluss. Einen festgeschriebener Freiheits- und Grundrechtskatalog gab es im Gegensatz zur Paulskirchenverfassung nicht. In der Reichsverfassung waren die Rechte des Volks demzufolge nur geringfügig berücksichtigt worden.4