Weshalb uns die uralten Weisheiten auch heute noch jede Menge zu sagen haben 3300 Jahre!
So lange dürfte es mindestens her sein, dass Moses, der Überlieferung nach, die Zehn Gebote Gottes auf dem Berg Sinai empfing und sie in Steintafeln meißelte. Sie werden bis heute noch in der Schule gelehrt, aber eher als eine Art wissenswertes, altertümliches Kulturgut, von dem „man wenigstens mal etwas gehört haben sollte“. Sie zeugen von einem scheinbar längst überkommenen Moralkodex und von einer archaischen Lebenswelt, mit der der moderne Mensch heute praktisch nichts mehr zu tun hat. Ist also die Beschäftigung damit überhaupt noch lohnenswert und werden sie zu Recht nach Ablauf der Schulzeit vergessen? Oder könnte es sein, dass sie uns auch heute noch weit mehr zu sagen haben, als wir es vermuten?
Schauen wir uns die Titel der Zehn Gebote an, so wimmelt es dort von Geboten und Verboten, mit Ausdrücken, die uns heute etwas seltsam anmuten: Es ist dort vom Tötungsverbot die Rede – doch wer macht so etwas heute noch, von wenigen Ausnahmen abgesehen? Wir lernen einen scheinbar eifersüchtigen Gott kennen, der keinerlei Konkurrenz duldet und streng verbietet, dass sein Name missbraucht wird. Wir sollen den Feiertag heiligen – doch der Schreibtisch ist noch voll. Sollen wir uns dafür etwa wichtige Geschäfte entgehen lassen? Vater und Mutter sollen wir ehren, sind aber womöglich längst in einer anderen Stadt und gehen unserer Arbeit nach, telefonieren aber pflichtschuldigst von Zeit zu Zeit, wenn die Eltern nicht gerade auf Kreuzfahrt sind. Oder aber wir haben viel Streit mit ihnen gehabt und haben wenig Lust aufs „Ehren“. Wo wir schon dabei sind: Das Gebot heißt: „Du sollst Vater und Mutter ehren“ und nicht: „Du sollst Deinen Vater und Deine Mutter ehren“. Warum das ein Riesenunterschied ist, werden wir bald sehen. Weiterhin kommt Ehebruch nicht in Frage, ebenso nicht das „Gelüsten-Lassen des Nächsten Weibes“ – waren halt damals scheinbar andere Moralvorstellungen – oder das „Begehren des Nächsten Haus, Hof und Vieh“. Das Letztere ist sowieso kein Problem, denn wir sind Lehrerin oder Ingenieur, Handwerker oder Künstlerin – was also sollen wir damit anfangen? Wir sind in der Regel völlig überzeugt davon, dass unsere heutige westliche Zivilisation im Laufe dieser vielen tausend Jahre längst in jeder Hinsicht aus dieser primitiven, archaischen Welt herausgewachsen und in unserer modernen Welt weit fortgeschritten ist.
Kaum jemand wird auf den Gedanken kommen und überhaupt in der Lage sein, einen sinnvollen Transfer in die Gegenwart herzustellen, sondern wird eher nach dem Lesen der folgenden Deutungen verblüfft und vielleicht ein Stück weit frustriert feststellen müssen, dass wir alle auch heute noch in der Gefahr stehen, nicht nur eins oder zwei, sondern mehr oder weniger alle Gebote tagtäglich zu übertreten. Ursache dazu ist unsere trotz aller technischen Fortschritte weiterhin bestehende große geistige Gleichgültigkeit, mit der wir alles meist viel zu oberflächlich betrachten und die es unserem Verstand immer wieder leicht macht, tausend Gründe zu finden, um unser allzu rosiges Selbstbild aufrecht erhalten zu können und uns nicht in Frage stellen zu müssen.
Die Zehn Gebote sind in Wirklichkeit zeitloses geistiges Wissen und zeitlose Ratschläge, die wir auch heute noch nötig haben, vielleicht dringender als alle Generationen vor uns. Und dass wirkliche Wahrheit nicht verjährt und verblasst sehen wir ja überdeutlich an der Lehre von Jesus von Nazareth, die auch schon immerhin 2000 Jahre alt ist und bis heute ihre Faszination nicht verloren hat – und die wir ebenfalls bis in die Gegenwart nicht annähernd umgesetzt haben. Denn ähnlich der teilweise grotesken Verunstaltung der Lehre Christi durch zahlreiche Religionsgemeinschaften im Lauf der Jahrtausende, bis hin zur Unkenntlichkeit, werden auch die Kernaussagen der Zehn Gebote heute schlicht und einfach nicht mehr verstanden – und als Folge dieses Nichtverstehens dann ignoriert.
Aus diesem Grund wurde es geistig nötig, auch die Zehn Gebote wieder von den weitverbreiteten Oberflächlichkeiten und Fehldeutungen zu befreien und in einen aktuelleren Zeitbezug zu bringen, damit wir feststellen können, dass diese für uns wertvolle geistige Ratschläge sind, deren Befolgen auch heute noch, in der der Gegenwart entsprechenden Form, dringend geboten ist. Und dann wird auch für uns das Tötungsverbot wichtig, ebenso wie der große Unterschied zwischen dem 6. und dem 9. Gebot, um nur drei Beispiele zu nennen.
Die Deutung der „Zehn Gebote“ für die heutige Zeit.
Da sie ohne weiteres selbsterklärend sind, ist eine besondere Einführung in jedes einzelne Gebot nicht nötig; sie sind original und vollständig zitiert.